Ausgezeichnet: Beste Nachhaltigkeitsinitiative

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 © Björn Hickmann/Stage Picture
© Björn Hickmann/Stage Picture

28.02.2023
von Dr. Matthias Schloderer

Dabei fangen wir jetzt erst richtig an: Wir wurden bei den OPER! AWARDS 2023 für unsere Bemühungen um einen nachhaltigen Theaterbetrieb ausgezeichnet. Was wir tun und was wir vorhaben – eine Übersicht in unserem Magazin.

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Hurra! Wir haben einen OPER! AWARD 2023 gewonnen. Die Preisverleihung ist ein Branchentreffen insbesondere der großen Opernhäuser im deutschsprachigen Raum – deshalb sind wir besonders stolz, dass unsere Bemühungen um ökologische Nachhaltigkeit abseits der großen Zentren überregionale Resonanz gefunden hat. Gemeinsam mit dem Musiktheater im Revier Gelsenkirchen wurden wir als „Beste Nachhaltigkeitsinitiative“ ausgezeichnet. Aus der Jurybegründung: „Bitte dranbleiben, nachmachen und, wie Gelsenkirchen und Regensburg, valides Datenmaterial erstellen! Denn das ist noch immer die beste Grundlage für die richtigen, nachhaltigen Entscheidungen.“

Unser Preis für die beste Nachhaltigkeitsinitiative © Theater Regensburg

Als erstes kommunales Mehrspartenhaus haben wir in der Spielzeit 2021/22 gemeinsam mit dem Projektbüro WHAT IF eine Klimabilanz erstellt und als Download zur Verfügung gestellt. Mobilität und Energie sind demnach die Haupttreiber unserer CO2-Emissionen. Es hat uns sehr geholfen, schon vor Beginn der derzeitigen Energiekrise unsere Verbräuche genau zu kennen. Dadurch können wir nun genau tracken, ob unsere aktuellen Maßnahmen dazu beitragen, unseren Energieverbrauch zu senken. Es ist zwar nicht so, dass wir uns nicht schon vorher energiesparend verhalten hätten – „Türen zu“ im Winter und „Licht aus“ waren beides natürlich in unseren Abläufen integriert. Die aktuellen Preissteigerungen stellen nun jedoch Anforderungen in ganz neuen Dimensionen an unser Theater. Ohne die staatlichen Instrumente wie Preisbremsen und den „Sonderfonds Energie“ müssten wir alleine an unserer Hauptspielstätte ab 1. Januar 2023 in etwa den zehnfachen Preis für die Strom-Kilowattstunde zahlen. Das verlangt nach kurzfristigen Maßnahmen – aber auch nach mittelfristigen Investitionen. Denn die staatlichen Hilfen werden wohl spätestens nach 2024 auslaufen, erhöhte Kosten werden hingegen wahrscheinlich bleiben – bis dahin müssen wir unsere Verbräuche also nachhaltig gesenkt haben.

Was haben wir nun also auf Basis unserer Klimabilanz angestoßen? In den folgenden Abschnitten möchte ich Ihnen einen Einblick zu unseren Aktivitäten und Prioritäten geben. Es ist ein Mix aus sogenannten „Quick-Wins“, also Maßnahmen, die schnell umzusetzen sind und die zügig einen messbaren Erfolg haben, und aus strategischen Maßnahmen, die länger geplant und umgesetzt werden müssen, ehe sie sich auszahlen. Das Maßgebliche ist wohl, wie ich es neulich bei einem Vortrag der Kulturstiftung des Bundes gehört habe: „Das Wichtigste ist, einfach anzufangen!“ Dadurch lassen sich am besten alle Beteiligten sensibilisieren – eine Grundvoraussetzung für erfolgreiches Nachhaltigkeitsmanagement.

Sensibilisierung – und weniger Weißware

Die Sensibilisierung unserer Beschäftigten ist somit ein wesentlicher Baustein unserer Nachhaltigkeitsstrategie. Schon vor der aktuellen Initiative gab es eine Projektgruppe „Grünes Theater“, in wiederkehrenden Workshops, Townhall Meetings und unserem neu eingerichteten E-Mail-Postfach können Ideen und Verbesserungen vorgeschlagen werden, die unsere Klimaagentin und Vorstandsassistentin in unsere Umsetzungsgremien einbringt. Wir sind sehr froh, dass unsere Nachhaltigkeitsinitiative auf großes Interesse und auf viel Mitwirkung im Haus stößt – auch wenn zuweilen unangenehme Maßnahmen umgesetzt werden müssen. Die Reduktion der Raumtemperatur im Rahmen der EnSikuMaV (Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung) ist ein solches Element, an das man sich erst gewöhnen muss. Ein anderes ist die Abschaltung bzw. der Austausch von nicht betriebsnotwendigen Kühl- und Gefriergeräten (sogenannter Weißware): Zunächst haben wir sämtliche Weißgeräte aller Liegenschaften aufgelistet und diese sowohl auf ihre Energieeffizienzklasse als auch auf Notwendigkeit überprüft. Im Januar 2023 wurden insgesamt 14 Geräte außer Betrieb genommen. Weitere 12 veraltete Geräte werden zeitnah gegen neue energiesparendere Varianten ausgetauscht. Sich eine Brotzeit ins Haus mitzunehmen ist natürlich trotzdem noch möglich, auch wenn man nun im Kühlschrank ein wenig zusammenrücken muss.

Enormer Einflussfaktor: Energieverbrauch

Bereits zu Beginn der Spielzeit 2021/22 wurde durch die Umstellung auf Ökostrom ein großer Schritt zu einem klimafreundlicheren Betrieb eingeleitet, welcher die verursachten Treibhausgasemissionen signifikant verringert:

Reduktion an Emissionen in Scope 2 durch Umstellung auf Ökostrom (Klimabilanz 2022)

Zu Beginn der Energiekrise haben wir im September 2022 zudem einen „Steuerungskreis Energiekrise“ gegründet, dem neben der Theaterleitung die Technische Direktion und die Haustechnik/-verwaltung angehören. Als erste Maßnahme des Steuerungskreises wurden die Anwesenheitszeiten in Probebühnen, Büros und Aufenthaltsräumen deutlich genauer als vorher berücksichtigt. Heizzeiten wurden so programmiert, dass keine unbelegten Büros geheizt werden. Ferner werden unsere Räumlichkeiten kontinuierlich mit elektronischen Thermostatventilen und Smart Home-Geräten aufgerüstet, wo dies bisher noch nicht der Fall war. Seit Herbst 2022 werden keine Flure und Treppenhäuser mehr beheizt. In den Büroräumen, Sitzungsräumen, Theatersälen und Probebühnen wurde die Temperatur auf max. 19°C, in den Werkstatträumen auf max. 16°C gesenkt.

Wo wir also selbst steuern können, tun wir das auch – manchmal liegt es jedoch auch nicht ganz in unserer Hand. Das kann leider auch zu gelegentlichen Pannen und Abstimmungsproblemen führen, so zum Beispiel, als neulich einer unserer Vermieter für das Foyer eines unserer Theater 12°C als ausreichend empfunden hat – aber so ein „Missverständnis“ wird zum Glück schnell bemerkt.

Keine unserer Räumlichkeiten gehört dem Theater, wir sind Mieter in 26 Liegenschaften. Sie können sich vorstellen, dass es daher ein durchaus mühsamer (aber lohnender!) Prozess ist, die Energieeffizienz an all diesen verschiedenen Orten zu optimieren. Dadurch, dass wir überall Mieter sind, oft bei der Stadt, ist die dringend erforderliche energetische Sanierung beispielsweise unseres Haupthauses ein sehr zeitintensives Projekt. Im Dezember 2022 wurde eine umfassende Begehung der Spielstätte Bismarckplatz durch die Energieagentur Regensburg durchgeführt. Durch die gewonnenen Erkenntnisse können weitere Schritte eingeleitet werden, um längerfristig CO2-Emissionen zu verringern. Dazu gehören energetische Sanierungen/Reparaturen sowie die Installation einer denkmalschutzkonformen PV-Anlage auf den Dächern des Theater am Bismarckplatz. Die errechnete CO2-Einsparung durch eine Vollbelegung beträgt bis zu 70.987 kg pro Jahr. Uns ist bewusst, dass das Thema Solar/PV in der Altstadt Zündstoffpotenzial besitzt. Niemand möchte, dass die Stadt Regensburg den Welterbe-Status deswegen verliert. Dennoch möchten wir gerne die Möglichkeiten prüfen, die sich aus der behutsamen Lockerung des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes und der Altstadtschutzsatzung ergeben. Das Theater Regensburg hat sich daher als Pilotversuch für PV in der Altstadt zur Verfügung gestellt. Anhand der zahlreichen verschiedenen Dachstrukturen auf dem Theater am Bismarckplatz können bei uns verschiedene Umsetzungsmöglichkeiten geprüft und so Learnings für die ganze Altstadt generiert werden.

Maximal mögliche PV-Belegung auf dem Theater am Bismarckplatz © Erster Vorabentwurf der Energieagentur Regensburg, Software SolarEdge Designer

Einen entscheidenden Hebel zur Reduktion seines Energiebedarfs sieht das Theater Regensburg insbesondere in der Beleuchtungsausstattung. Kontinuierlich wird die Bühnenbeleuchtung durch hochwertige LED-Technik ersetzt. Aufgrund der hohen Kosten wird dies einige Zeit in Anspruch nehmen. Beim Neuhaussaal im Theater am Bismarckplatz sind wir schneller: Der Neuhaussaal wird in einer Spielzeit durchschnittlich 1.500 Stunden genutzt, wobei die Beleuchtung des Saals und des Orchesterpodiums derzeit durch die bereits vorhandenen herkömmlichen Glühbirnen und Scheinwerfer betrieben wird. Daraus ergibt sich jährlich ein extrem hoher Stromverbrauch. Durch die Installation von energiesparender LED-Beleuchtung im gesamten Neuhaussaal, die sowohl für die Beleuchtung des Saals als auch des Orchesterpodiums genutzt wird, kann der Stromverbrauch des Theaters pro Jahr voraussichtlich um ca. 32.000 kW/h gesenkt werden. Für diese Maßnahme wurde im September 2022 ein Förderantrag beim Kulturfonds Bayern eingereicht. Auch unser Verwaltungsrat des Theaters hat der Investition bereits zugestimmt. Die Umrüstung soll voraussichtlich in der Sommerpause 2023 durchgeführt werden, sofern alle notwendigen Genehmigungen rechtzeitig eingeholt werden können.

Durch die fortschreitende Digitalisierung am Theater Regensburg kann ein merklicher Rückgang im täglichen Papierverbrauch verzeichnet werden. Um den CO2-Verbrauch bei den erforderlichen Großdruckaufträgen von beispielsweise Klavierauszügen und Textbüchern zu verringern, stellt das Theater Regensburg aktuell auf 100% Recyclingpapier (Blauer Engel) um. Die CO2-Ersparnis gegenüber herkömmlichem Papier liegt bei 42%. Das neue Papier ist in der Anschaffung zwar teurer, aber durch einige Tests konnte ein Papier gefunden werden, das in Lesbarkeit und Druckqualität kaum der bisherigen Variante nachsteht.

Maßnahmen im Bereich Mobilität: Betriebsintern und beim Publikum

Nun zum Bereich Mobilität, zunächst innerhalb unseres Betriebs: Um dienstliche Kleintransporte von Theatermaterialien zwischen unseren verschiedenen Spielstätten, Probebühnen, Werkstatt und Lagerräumen nachhaltiger zu gestalten, wurden im Frühjahr 2022 zwei E-Lastenräder nach erfolgreicher Bewährung zum dauerhaften Gebrauch angeschafft. Dadurch werden zusätzliche Sprinterfahrten und somit direkte Emissionen durch den hauseigenen Fuhrpark erheblich reduziert.

Dienstreisen mit dem PKW (und hauseigenem Caddy) werden am Theater Regensburg nur in begründeten Ausnahmefällen bewilligt. Diese müssen soweit z.B. keine größeren Transporte erforderlich sind, klimafreundlich mit dem öffentlichen Nahverkehr bzw. Zug durchgeführt werden. Auch Gäste und Dienstleister werden dazu angehalten, Anfahrten möglichst klimafreundlich zu gestalten. Zugfahrten werden 1:1 erstattet, PKW-Fahrten nur teilweise.

Bei der Publikumsmobilität setzen wir auf Kommunikation. Dass beim Kauf einer Eintrittskarte der öffentliche Nahverkehr inkludiert ist, was 36% unserer Besucherinnen und Besucher bis letztes Jahr nicht wussten, wird verstärkt kommuniziert, das Logo des RVV nun auch auf der Vorderseite der Tickets mitabgedruckt. Ferner wurde in der Spielstätte Antoniushaus ein Abfahrtsmonitor mit minutengenauen Bus-Abfahrtszeiten und Integration aller umliegenden Haltestellen installiert, um die gute Busanbindung zu unterstreichen und dem Publikum näher zu bringen.

Bus-Abfahrtsmonitor im Antoniushaus © Theater Regensburg

Ob es uns gelingen kann, dass das Publikum komplett klimaneutral anreist, wird ein ambitioniertes Pilotprojekt im Sommer zeigen. Das Theater Regensburg wird – als einziger Bayerischer Kulturbetrieb – bei seinem klimaneutralen Stadtraumprojekt WAHRHEITEN durch den Fonds Zer0 der Kulturstiftung des Bundes unterstützt. Die finanzielle Förderung ermöglicht es uns, am Ende dieser Spielzeit zum ersten Mal eine Produktion nahezu klimaneutral umzusetzen. Wir verfolgen hier den in den Förderrichtlinien vereinbarten Zielpfad zur Klimaneutralität in der Reihenfolge „vermeiden, reduzieren, kompensieren“. Dabei soll als zentrales künstlerisches Element der Faktor Mobilität in den Fokus gerückt werden. Derzeit erarbeiten wir auch das Mobilitätskonzept für das Publikum. Wird es teurere „Klimasündertickets“ geben müssen? Wir werden sehen.

Demnächst werden wir einen ersten Anhaltspunkt dafür erhalten, ob die bisherigen Maßnahmen einen Effekt auf unseren CO2-Abdruck hatten. Derzeit wird die nächste Klimabilanzierung vorbereitet und im Rahmen von Fonds Zer0 eingebracht. Klimabilanzierungen sollen dann im Zweijahresrhythmus erfolgen. Werden die bisherigen Maßnahmen ausreichen, damit unser Theater ein klimafreundlicher Betrieb wird? Wahrscheinlich noch nicht – aber wenn wir uns als Kulturbetriebe weiterhin gemeinsam austauschen und mögliche Lösungsszenarien entwickeln, sind wir auf einem guten Weg.

Tom Neumeier Leather
© Tom Neumeier Leather

Dr. Matthias Schloderer

Matthias Schloderer stand schon ab dem Alter von elf Jahren als Dritter Knabe in der Zauberflöte auf zahlreichen Opernbühnen und ist weiterhin begeisterter Fan der internationalen Opern- und Theaterszene. Er promovierte an der Ludwig-Maximilians-Universität München über Reputationsmanagement von Non-Profit-Organisationen und im War for Talents. Nach seiner Zeit in der Unternehmensberatung (u.a. bei EY und Vivaldi Partners München/New York) verantwortete er an der Bayerischen Staatsoper die Bereiche Strategisches Management und Marketing. Seit 1. Februar 2021 ist er kaufmännischer Direktor am Theater Regensburg und treibt dort insbesondere die digitale Transformation des Hauses sowie die Nachhaltigkeit im Theaterbetrieb voran.

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